In Erlangen beim »Zwischentag«

Am 4. Juli fand in Erlangen bei sengenden Temperaturen der »Zwischentag« statt. Im Vorfeld dieser Buchmesse und Tagungsveranstaltung aus dem Umfeld der Neuen Rechten ist heftig dagegen mobilisiert worden. Das unvermeidliche »breite Bündnis« aus Parteien, Kirchen, örtlichen Politikern, Gewerkschaften und Linksextremisten hat sich formiert, um darüber zu bestimmen, wem in diesem Land ein Versammlungsrecht zusteht und wem nicht. Daß es allen, die irgendwie rechts positioniert sind, nicht zusteht, daran besteht innerhalb des »breiten Bündnisses« kein Zweifel. Weiterlesen

Liebe Schüler des Robert-Wetzlar-Berufskollegs in Bonn!

Donnerwetter, ihr traut euch was! Ihr habe einen offenen Brief verfaßt, warum euer Politik-Lehrer für euch nicht mehr tragbar sei. Ihr hab nämlich entdeckt, daß euer Lehrer Gerald K. Mitglied einer Burschenschaft ist. Da wart ihr natürlich schockiert und mußtet dringend zu Tat schreiten, denn wer weiß, was der Mann schon für finstere Pläne ausheckt! Komischerweise ist euch während des Unterreichts nie aufgefallen, daß er eurer Meinung nach verwerflichen Ansichten anhängt, aber das zeigt offenkundig, wie raffiniert er sich zu verstellen weiß. Füchse, die ihr seid, kamt ihr dem Kerl dennoch auf die Schliche, als er nämlich bei der Buchmesse »Zwischentag« vor dem Verbindungshaus der »Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn« (ja, genau, die mit dem Ariernachweis!) die Gäste begrüßte, und euer Mitschüler M. zugegen war, um gegen die Versammlungsfreiheit zu protestieren. Nachdem nämlich, wie ihr zu erwähnen vergassen habt, eure Kumpels von der »Antifa« durch freundliche, ganz unverbindliche Drohungen und Einschüchterungen die angefragten Saalvermieter überzeugen konnten, den »Zwischentag« besser nicht in ihren Räumlichkeiten stattfinden zu lassen, fanden sich die »Raczeks« bereit, ihr Haus dafür zur Verfügung zu stellen. Natürlich habt ihr sofort erkannt, daß das für die Verworfenheit beider spricht, besonders, nachdem ihr euch gründlich im Spiegel darüber informiert habt.

Selbstverständlich seid ihr der Meinung, daß Meinungsfreiheit nur denen zusteht, die die richtige Meinung haben, wo kämen wir sonst hin! Deswegen seid ihr auch der Überzeugung, daß es die Pflicht eines Politiklehrers ist, gegen Rechts zu sein, denn schließlich sagen das ja alle, wie wichtig es ist, gegen Rechts zu sein, da könnt ihr natürlich nicht beiseite stehen. Und deswegen wißt ihr auch, wieviel Mut und Zivilcourage es erfordert, das zu tun, wovon alle sagen, daß es das Richtige ist. Umso schockierender, daß euer Lehrer und die Direktorin gar nicht begeisteret vom grundguten Engagement eures Mitschülers M. waren, der per Flugblatt über euren Lehrer aufklärte, und das als Mobbing aufgefaßt haben. Doch ihr findet selbstverständlich: Wenn man schon einen eindeutig als Nazi identifiziert hat, dann muß ihn doch wohl mobben, damit er von seinen rassistischen und faschistischen Ansichten abläßt! Aber nein, da hat der Kerl die Frechheit, in der nächsten Unterrichtsstunde total einseitig seine Sicht der Angelegenheit darzulegen, anstatt öffentlich zu widerrufen, wie ihr es von ihm erwartet habt.

Deshalb möchte ich euch beglückwünschen. Ihr gehört zu den wertvollen und kritischen Menschen, auf die sich das jeweils herrschende Gesellschaftsmodell stets verlassen kann. Ihr tut unverzagt immer, was angesagt ist; wann immer es gilt, zweifelhafte Gesinnungen aufzudecken und Schädlinge ins Licht der Öffentlichkeit zu ziehen, stehen Leute wie ihr, die ihr immer genau wißt, was richtig und falsch ist, in vorderster Front. Deswegen muß kein Staat euch für Denunziantendienste anwerben, euch muß er nicht erst für »Hitler-Jugend« oder »Junge Pioniere« rekrutieren, ihr laßt euch dafür ganz aus freien Stücken und vorauseilend in Anspruch nehmen. Und könnt euch dafür des öffentlichen Beifalls sicher sein − sogar der Spiegel hat über euren Kampf gegen das Böse berichtet! Wenn ihr auch regelmäßig nicht zwischen Rechten und Rechtsextremisten unterscheiden könnt, wenn ihr auch Begriffe wie Nationalsozialismus und Faschismus nicht auseinanderhalten könnt, was tut’s, die Absicht zählt schließlich. Und, wie ihr ganz richtig bemerktet, ihr seid jung und nicht blöd, und deswegen wißt ihr auch, daß ihr bestimmte Meinungen gar nicht erst anhören müßt, um zu wissen, was ihr von ihnen zu halten habt − »Rechten kein Forum bieten«, die Parole habt ihr brav verinnerlicht. Laßt euch auch nicht daran stören, daß sich einige eurer weniger kritischen Mitschüler für ihren Lehrer einsetzen − ihr habt seine Gefährlichkeit erkannt, da kann es keine Diskussion geben.

Kurzum: Meinen Glückwunsch. Ihr seid zuverlässige Stützen des Totalitarismus.

Hochachtungsvoll,

Weserlotse