In Erlangen beim »Zwischentag«

Am 4. Juli fand in Erlangen bei sengenden Temperaturen der »Zwischentag« statt. Im Vorfeld dieser Buchmesse und Tagungsveranstaltung aus dem Umfeld der Neuen Rechten ist heftig dagegen mobilisiert worden. Das unvermeidliche »breite Bündnis« aus Parteien, Kirchen, örtlichen Politikern, Gewerkschaften und Linksextremisten hat sich formiert, um darüber zu bestimmen, wem in diesem Land ein Versammlungsrecht zusteht und wem nicht. Daß es allen, die irgendwie rechts positioniert sind, nicht zusteht, daran besteht innerhalb des »breiten Bündnisses« kein Zweifel. Manfred Kleine-Hartlage hat in seinem Buch Die Sprache der BRD, das 131 heute gängige Begriffe und Worthülsen des politischen Sprachgebrauchs dechiffriert, sich auch dieses Begriffs angenommen:

Wenn in der Zeitung von einem ›breiten Bündnis‹ die Rede ist, richtet sich ein solches Bündnis in zwei von drei Fällen dagegen, daß Andersdenkende ihre Meinung sagen und dafür auf die Straße gehen können. In aller Regel wird zu diesem Zwecke zum Rechtsbruch aufgerufen. Kein Wunder, daß der, der solches plant, es nötig hat, die ›Breite‹ seines ›Bündnisses‹ zu betonen, um die Qualität seines Handelns – nämlich illegal zu sein – durch die Quantität der Gleichgesinnten zu rechtfertigen (mit der es in Wahrheit freilich meist auch nicht besonders weit her ist). Mit einem liberalen Demokratieverständnis, zu dem – und zwar zentral! – das Recht auf Dissens gehört, hat eine solche Einstellung nichts zu tun. Es handelt sich vielmehr um ein jakobinisches oder auch bolschewistisches Demokratieverständnis, wonach es gegenüber einer – womöglich nur fingierten oder usurpierten – volonté generale kein Recht auf Dissens gibt.

So reicht auch hier das Breibü von CSU über DKP bis zur stets gewaltbereiten »Antifa«, die sich eh vorgenommen hat, jedwede politische Betätigung, die ihr nicht paßt, unmöglich zu machen. Die Stadt veranstaltete ein buntes Straßenfest. Mit so breiter Unterstützung kann man sich getrost »Aktion Courage« nennen, denn couragiert ist, so ja die aktuelle Bedeutung des Wortes in der BRD-Sprache, wer seine Konformität zu erwünschten Meinungen bekundet.

Unter diesen Voraussetzungen ist weniger der Inhalt der Veranstaltung selbst interessant, als vielmehr die Bedingungen, unter denen sie stattfinden muß.

Da ist zunächst angesichts der Mobilisierung dagegen beim potentiellen Besucher, also auch mir, die Frage: Soll ich mir das antun? Soll ich mich zum potentiellen Opfer von Schlägerbanden machen, es riskieren, daß mein Bild auf Denunziations-Steckbriefen im Internet auftaucht? Gleichwohl: deswegen nicht hinzugehen, wäre grundfalsch. Sie, die durch Einschüchterung darauf setzen, genau das zu erreichen, wären damit erfolgreich, ihre Strategie würde aufgehen.

Da es mittlerweile aufgrund besagter Einschüchterungen und Drohungen gegen die Vermieter von Räumlichkeiten kaum noch möglich ist, solche Veranstaltungen durchzuführen und dies inzwischen als legitimes demokratisches Mittel gilt, hat die Burschenschaft Frankonia ihren Versammlungssaal und ihren Garten zu Verfügung gestellt. Ich muß bekennen, daß mir diese Vereinigungen mit ihren Bier-Ritualen und der unter ihnen praktizierten Gesichtsbehandlung mittels Degenhieben eher merkwürdig und zweifelhaft vorkamen. Jedoch: es ist in jeden Fall der Anerkennung wert, daß sie ihre Räume der freien Rede zur Verfügung stellen und angesichts der damit verbundenen Anfeindungen und Anschläge auf ihr Haus jene Courage wirklich leben, die andere, die in der Masse der »breiten Bündnisse« mitlaufen, zu unrecht für sich in Anspruch nehmen.

Der Versammlungsort wurde weiträumig von Polizeikräften abgesperrt, Zugang zur Straße, in der sich das Verbindungshaus befindet, erlangte nur, wer die Einladung vorweisen oder eine Codenummer nennen konnte. Beides hatte ich versäumt einzustecken, was mir unterwegs noch einfiel – macht ja nichts, dachte ich, es wird ja zweifellos eine Teilnehmerliste am Eingang geben. So mußte ich dann aber feststellen, daß ich gar nicht zum Eingang gelangen konnte, denn die eingesetzen Beamten nahmen es sehr genau und ließen mich nicht durch. (Im übrigen gibt es wirklich ausgesprochen hübsche Polizistinnen!) Ein Anruf beim Veranstalter konnte jedoch die Situation klären. Am Zaun standen zwielichtige Gestalten in schwarzen Klamotten und fotografierten die Ankömmlinge, dürfen die das? Davon abgesehen konnte dank der guten Arbeit der Polizei der Veranstaltungsort unbelästigt erreicht werden, dem gegenüber am anderen Ende der Straße das übliche Klientel den üblichen Radau aus Geschrei und nervigem Hip-Hop-Geschepper aus Lautsprechern veranstaltete, aber auf ausreichender Distanz gehalten wurde. Gleichwohl ist es besorgniserregend, welch ein Aufwand in diesem Land mittlerweile getrieben werden muß, damit sich entgegen der vielfachen Behauptungen in keiner Weise gefährliche oder extremistische Menschen politisch betätigen und ihr Recht auf Versammlungsfreiheit wahrnehmen können. So verlieh der Veranstalter Felix Menzel auf seiner Eröffnungsrede der Hoffnung Ausdruck, daß die ungestörte Versammlung bald wieder so selbstverständlich werden möge, wie sie es dem Selbstverständnis dieses Staates gemäß eigentlich sein sollte.

Im Garten haben die verschiedenen Verlage ihre Tische aufgebaut. Das Angebot ist jedoch überschaubar, am ergiebigsten ist die Produktpalette des Antaios-Verlags (auch wenn die Neuherausgabe und -übersetzung des Heerlagers der Heiligen entgegen der Ankündigung noch nicht verfügbar war), das meiste andere ist entweder bekannt oder nur mäßig interessant, manches macht zum Teil einen recht sektiererischden Eindruck. Mit dabei ist die Identitäre Bewegung, die an ihrem Tisch für Interessenten warb und deren anwesende Mitglieder zur Diskussion zur Verfügung standen.

Drinnen im Saal finden unter erschwerten Bedingungen hoher Temperatur und Luftfeuchtigkeit die Vorträge statt. Unter anderem stellte Gereon Bräuer, Autor der Blauen Narzisse und Verfasser des kleinen Buchs »Geopolitik« seine Überlegungen zu diesem Thema vor. Dabei konstatierte er, daß die deutsche Außenpolitik es längst aufgegeben hat, gemäß einem eigenen Interesse zu handeln, was anhand des Beispiels der Annexion der Krim durch Rußland erläutert wurde. Einmischung dort, wo es nicht eigenen Interessen dient, Heraushalten dort, wo selbstbewußtes Auftreten geboten wäre, sich Einspannenlassen für fremde Interessen – das sind laut Bräuer Hauptursachen für den ausbleibenden Erfolg bei der Bewältigung inter­nationaler Krisen.

Pause. Mal vor die Tür schauen, was das kämpferische Aufbäumen des Antifaschismus‘ so macht. Ein heiseres Geschrei weht herüber:

»Was ihr da diskutiert, nennen wir Rassismus …«

Achgottachgott. Auf die Idee, daß andere es schlicht irrelevant und uninteressant finden können, was sie wie nennen, kommen diese Leute, die ihrem Selbstverständnis nach gerade ein neues 1933 verhinden, nicht. Angesehen davon, daß sie selbstverständlich nicht wissen, was im Hause diskutiert wird, ihr vermeintliches Wissen schöpfen sie ganz aus ihrem eigenen Weltbild. Auf einem Transparent ist der Spruch »Krieg den deutschen Zuständen« zu lesen, was auch immer damit gemeint ist. Trotz der massiven Propaganda konnten laut Presseberichten gerade mal rund 300 Personen zur Gegenkundgebung aufgeboten werden. Überhaupt bietet der Aufzug, der sich an der anderen Seite des Zauns versammelt hat, ein eher peinliches und armseliges Bild der immer gleichen Sprüche und Parolen. Es bestätigt augenscheinlich einen Satz aus einem von Dr. v. Waldstein während des 2. Staatspolitischen Kongresses in Schnellroda, wonach junge Linke noch nie so dumm waren wie heute. Man soll zwar seine Gegner nicht unterschätzen, aber hier scheint es zuzutreffen. Wer sich heute links meint, für den ist es möglich, insbesondere im universitären Umfeld, sich in einem weitgehend weltanschaulich homogenen Milieu zu bewegen, das keinerlei Selbstreflexion mehr erzwingt. Man kann dort glauben, was alle glauben, sagen, was alle sagen und sich gleichzeitig, weil keiner mehr widerspricht, auf der Seite des Guten und Richtigen wähnen.

Also wieder rein, bevor einen noch einer der anwesenden Hobby-Stasileute hinterm Zaun fotografiert.

Auf seiten der Gegendemonstraten erlegte sich Oberbürgermeister Florian Janik hinsichtlich seiner Wortwahl keine Zurückhaltung auf. In seiner Rede vernahm man der Presse zufolge Äußerungen über »rechtes Pack, das hier nichts verloren hat«, weiters sprach er bezüglch der Teilnehmer des Zwischentags von Schneebällen, die man beizeiten zertreten müsse, bevor sie zur Lawine würden. Damit übertraf das Stadtoberhaupt an entmenschlichenden Redewendungen alles, was im Innern des Frankonia-Hauses besprochen wurde, denn die unterstellten ausländerfeindlichen und »rassistischen« Hetzreden vernahm man dort nicht.

Unter anderen auch nicht in dem Vortrag von Peter Feist vom Compact-Magazin, der über Fehlentwicklungen deutscher Asyl-Politik referierte. Darin bekannte er sich klar zum Fortbestand des Asyl­rechts, stellte aber auch klar, daß seine Verteidgung auch bedingt, es gegen hunterttausendfachen Mißbrauch zu schützen, und er benannte diejenigen, die beispielsweise als Betreiber von Asyleinrichtungen vom massenhaften Zustrom illegaler Einwanderer profitieren. Ferner sei anzuprangern, trotz gestiegener Asylanträge immer weniger Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber vollzogen werden, und die dafür verantwortlichen Politiker sich der Rechtsbeugung schuldig machten. Will man das Asylrecht erhalten, so muß es möglich sein, in einer Botschaft der Bundesrepublik den Asylantrag zu stellen und, so er berechtigt ist, sicher nach Deutschland transportiert werden. Nur so könne die Schlepperkriminalität, die Feists Aussage zufolge bereits mehr Gewinn verspricht als der Drogenhandel, wirksam bekämpft werden. Insgesamt waren die Ausführungen des Vortragenden sachlich und maßvoll und gaben keinerlei Raum für ausländerfeindliches Gedankengut.

Nils Altmieks, Leiter der Indentitären Bewegung Deutschland, stellten Anwesenden die aktuelle Kampagne »Gegen den Großen Austausch« vor und die damit im Zusammenhang stehende Besetzung der SPD-Parteihäuser in Berlin und Hamburg. Mit dieser Aktion sollten die in der SPD verorteten Verantwortlichen für die verfehlte Einwanderungspolitik getroffen werden. Das Medienecho war jedenfalls umfangreich, wengleich geprägt von den gängigen Zuschreibungen.

Insgesamt konnten Teilnehmer und Veranstalter ein positives Fazit der Ver­anstaltung ziehen, die trotz des Engagements seitens der Linken ohne nennenswerte Störungen durchgeführt werden konnte. Weniger wegen der ausgestellten Druckerzeugnisse als vielmehr aufgrund der Gelegenheit zu Gespräch und Diskussion hat sich Teilnehme durchaus gelohnt. Es ließ sich auch feststellen, daß die beim Zwischentag versammelte Szene heterogen ist, dabei muß man selbstverständlich nicht jeden mögen und mit ihm gemeinsame Sache machen. Daß auch im rechten Lager nicht unumstrittene Zeitgenossen wie Michael Stürzenberger, Betreiber des Internet-Forums »politically incorrect« und der dort verbreitenten Vulgär-Islamkritik, die hier von Martin Lichtmesz treffend kritisiert wurde, auftauchten und sich gegenüber einer anwesenden Medienvertreterin in den Vordergrund drängten, wurde von etlichen Anwesenden mit kritischen Kommentaren bedacht.

Gleichwohl, die von der Gegenseite behauptete Zusammenrottung von »Nazis« fand nicht statt, zwar läßt sich nicht in jeden Kopf reingucken, aber das will ja auch keiner, und soweit es mit der Meinungsfreiheit ernstgemeint ist, muß eine auf Argumenten beruhende Auseindersetzung möglich sein. Das war am Samstag im Hause der Frankonia in Erlangen der Fall. Ein Lied zum Schluß? Felix Menzel: »Wir erheben uns und singen das Lied der Deutschen«.

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