Gefühlspolitik vom Ponyhof

Grundsätzlich bin ich eigentlich gerne bereit, dem Linken zugute zu halten, daß er nicht aus böswilligen Motiven handelt, sondern etwas will, was er für eine bessere Welt hält. Er ist nur vollkommen auf dem falschen Dampfer, was deren Erreichbarkeit und die Methoden dazu angeht, und kann sich aus Naivität nicht vor­stellen, daß ein gut­gemeinter Wille böse Folgen haben kann.

Zuweilen muß man aber doch erkennen, daß es reiner Haß ist, der ihn treibt: Haß auf das eigene Volk, die eigene Kultur, die eigene Geschichte, Haß auf Leute mit anderen Ansichten, Haß auf alle, die mehr haben.

Beides kann man in diesen Äußerungen ersehen, in denen Einigermaßen-Prominente und Gänzlich-Nichtprominente verkünden, warum sie wegen des Zustroms soge­nannter Flüchtlinge vor Freude ganz aus dem Häuschen sind: »200 Menschen aus Deutschland sagen in der Huffington Post: ›Willkommen, liebe Flüchtlinge, gut, dass ihr hier seid‹«.

Im wesentlichen sind die Äußerungen eine einzige große Ansammlung des infantilen bis halbidiotischen Propagandagefloskels von »Vielfalt«, »Buntheit« und so weiter, wobei sich bemerkenswerterweise kaum jemand bemüßigt fühlt, zu begründen, warum die angebliche »Bereicherung« eine solche ist und worin sie konkret besteht. Man fragt sich, ob die alle wirklich selbst dran glauben, ober ob sie nur daran glauben wollen, weil sie das für den richtigen Glauben halten. Das Ausmaß, in dem dieses Vokabular als selbstevident angesehen wird, verhält sich offenbar umgekehrt proportional zur Reflexion darüber. Hier zum Beispiel:

Liebe Flüchtlinge, es ist gut, dass ihr hier seid, weil ihr mein Leben, meinen Alltag und meine Welt bereichert.

Oder:

Liebe Flüchtlinge, wir sind es euch schuldig, euch aufzunehmen, weil unsere Politik für euer Leid letztlich mitverantwortlich ist.

Begründung? Fehlanzeige. Man glaubt es einfach. Hier wird offenbar einfach nur wiedergegeben, was eingetrichtert wurde.

Liebe Flüchtlinge, es ist gut, dass ihr hier seid. Denn ihr macht unser Land noch bunter.

Laber, fasel, sülz. Eine wirklich überzeugende Analyse, vorgebracht von einem Professor der Universität Trier.

Ach, man könnte Gehirnrheuma bekommen von dem Gutmenschen-Buntheits-Geschwätz! Das alles sind Äußerungen von sicher mehrheitlich durchaus wohl­meinenden Zeitgenossen, die allerdings weitab jeder Realität liegen. Sie können sich offenbar nicht vorstellen oder wollen es nicht wahrhaben, was der Zustrom von Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen in einen eng begrenzten Raum an Konflikten mit sich bringt. Sie können nicht begreifen, daß hier eine Gesellschaft mit Sprengsätzen gespickt wird. In ihrer Ponyhof-Perspektive von der Welt kann daraus nur eine buntes Multikulti-Paradies werden, in dem es ein erweitertes exotisches Imbißbuden-Angebot gibt, ein buntes, immerwährendes Straßen­fest mit afrika­nischer Trommel­gruppe, Falafel-Stand und afghanischer Volkskunst.

… weil ich gerne lernen möchte, die kleine Welt Europa mit euren Augen zu sehen! Weil ich grenzenlos neugierig bin! Weil ich gern somalisch koche, eritreisch trommle, afghanischen Drachen nachschaue.

Wie sehr muß eigentlich jemand die Kultur seines eigenen Landes verachten und geringschätzen, um soviel Bereicherung und Vielfalt nötig zu haben zu glauben? Hier wird Deutschland zur kulturellen Wüste erklärt, die dringend von außen belebt werden muß. Der »Flüchtling« wird hier regelrecht zu einem Erretter aus dem verhaßten Mief des Eigenen stilisiert, während dieses Eigene nur für wert befunden wird, sich in der schönen, neuen, bunten Welt aufzulösen. Denn wenn schon jemand flüchten mußte, so wie es pauschal unterstellt wird (und wie es ja für einen Teil tatsächlich auch zutrifft), warum soll man dann froh um seine Anwesenheit sein? Erscheint es nicht merkwürdig, dafür dankbar zu sein, daß jemand seine Heimat verlassen mußte, um hier Unterschlupf zu finden? Anscheinend wird mehr davon erwartet.

Hier zeigt sich unterschwellig bis offen, daß die Einwanderer für eigene Belange instrumentalisiert werden: etwa für die erwartete Bereicherung des eigenen Daseins, zum Beipiel in bezug auf die schon erwähnten erweitereten Konsummöglichkeiten. Aber auch ein anderes Motiv tritt – kaum überraschend – hier zum Vorschein: die Möglichkeit, die Einwanderer als Arbeitskräfte zu verwerten:

… weil angesichts der schrumpfenden Bevölkerung hochmotivierte Arbeitskräfte in Deutschland dringend gebraucht werden.

Auch wird die Gelegenheit, Buße zu tun, gerne ergriffen:

Liebe Flüchtlinge, es ist gut, dass ihr hier seid, weil wir mitverantwortlich für die Lebenssituation in eurem Herkunftsland und eure persönlichen Schicksale sind. Wenn ihr zu uns kommt, erinnert ihr uns daran, und wir können erste Schritte gehen, euch zu helfen und unsere Schuld zu begleichen.

Paul Ripke, ein Fotograf, träumt dagegen ganz offen davon, die Einwanderer als revolutionäres Subjekt einzusetzen und durch sie seine Vorstellungen eines aus seiner Sicht wünschenswerten Bürgerkriegs und darauf folgenden politischen und ethnischen Säuberungen in die Tat umzusetzen.

… weil ihr einerseits alle zu Deutschland gehört und wichtig für die politische Entwicklung hier seid, und andererseits all die rechten Arschlöcher aus ihren Löchern holt. Denn diese Leute gehören nicht zu Deutschland und sollten lieber schnell als langsam lokalisiert und dann aus D vertrieben werden! So gibt es mehr Platz um Menschen wie euch aufzunehmen!

Da muß man erst mal sacken lassen, um zu begreifen, wie schräg das ist: alle, mithin auch diejenigen, die sich gerade übers Mittelmeer einschiffen, gehören zu Deutsch­land, nur die Deutschen mit der falschen Gesinnung gehören nicht zu Deutsch­land, die müssen aus ihren Löchern geholt und vertrieben(!) werden – wohin eigentlich? Sibirien? Oder gleich ins Massengrab?

Überhaupt krankt die ganze Debatte nicht nur an einer unscharfen Begriffsdefinition, die alle pauschal zu »Flüchtlingen« macht, auch wenn sie offenkundig sich nur besser wirtschaftliche Lebensbedingungen verschaffen wollen (wofür man freilich Verständ­nis haben kann, woraus aber keinerlei Verpflichtung sich ableiten läßt, sie ihnen zu verschaffen). Doch noch ein viel größerer Mangel besteht darin, daß die Sphären des Politischen und des Moralischen ebenso vermischt werden wie die Sphären der Vernunft und das Gefühls. Die Folgen dieser Vermischung ist die permanente Unter­stellung falscher Beweggründe.

Es könnte alles so schön sein, wenn sich nicht andere dieser glückverheißenden Entwicklung böswilliger- und uneinsichtigerweise in den Weg stellen würden:

… weil ihr Deutschland bunter und nicht nur langfristig lebenswerter macht – obwohl eine keifende, ignorante, hasserfüllte Minderheit das nicht erkennen will.

Aha, sie will es nicht erkennen. Das sture, haßerfüllte Pack! Also kann die Konsequenz nur lauten: Mehr Einwanderung! Solange, bis es auch die letzte Hohlbirne begreift, wie sie bereichert wurde. Richtig ist jedoch: wenn ich den Zustrom von nicht asyl­berechtigten Migranten unterbinden möchte, dann deswegen, weil ich die voraussehbaren Verwerfungen politischer, sozialer und ethnischer Natur nicht will – aber nicht, weil ich den Menschen als solchen Haß oder Feindschaft gegenüber empfinde (jedenfalls, solange sie ihrerseits mir nicht feindselig gegenübertreten). Weil es gegen alle politische Vernunft ist, einer Gesellschaft das Potential etnnischer oder religiöser Konflikte und Bruchlinien hinzuzufügen. Die Vermischung der Sphären des Politischen und des Moralischen unterstellt hingegen, daß jemand nur aufgrund feindseliger Gefühle diese Position einnehmen kann (wobei es zweifellos Menschen gibt, die das tun), ebenso, wie die Gegenposition sich auf eine besonders ausgeprägte Empathie, also auf ein Gefühl, beruft, das allerdings die politische Vernunft nicht ersetzen kann.

Wo dann noch ein ahistorischer Unfug dazukommt, wird es ganz abstrus. Wir hören Aiman Mazyek vom ZR des Moslems:

… ihr uns daran erinnernt, dass das starke Fundament unseres Landes nach dem 2. Weltkrieg nicht zuletzt ein Resultat des Miteinander-Teilens war. Die junge deutsche Gemeinschaft nahm Sudeten und Osteuropäer auf im Bewusstsein, dass wir gemeinsam stark sind.

Die »junge deutsche Gemeinschaft«? Also existiert Deutschland erst seit dem Zweiten Weltkrieg? Sie nahm Sudeten auf? Die Sudeten sind bekanntlich eine Gebirgskette im heutigen tschechisch-polnischen Grenzgebiet – vermutlich meint er Deutsche aus dem  Sudentenland? Und wen meint er mit »Osteuropäern« – etwa die heimat­vertriebenen Deutschen aus Pommern und Schlesien? Offensichtlich ist: der Mann hat keine Ahnung, wovon er redet, meint aber, für »unser Land« sprechen zu können.

Liebe Flüchtlinge, es ist gut, dass ihr hier seid, weil das deutlich macht, wie schnell Heimat zur Fremde und die Fremde zur Heimat werden kann! Ihr seid das Sinnbild für meinen Wunsch, dass die ganze Welt irgendwann uns allen gehören soll und wir alle gemeinsam in Frieden miteinander leben!

Ja, wie schnell die Heimat zur Fremde werden kann, das wird womöglich die Studentin, die das sagte, schneller und auf eine andere Weise erleben, als ihr lieb ist. Aber träum ruhig weiter von deiner Alles-gehört-allen-Welt.

Liebe Flüchtlinge, es ist gut, dass ihr hier seid, weil wir Euch etwas zurückgeben können und müssen. Europa ist reich geworden durch Länder, die wir erst Kolonien nannten, dann Entwicklungsländer und nun Schwellenländer.

Das sagt Anne M. Schuller, »Management-Autorin und Keynote-Speaker«. Lustige Berufe haben übrigens die Leute zum Teil. Was macht jemand als »Keynote-Speaker«? Professionell dummes Zeug reden? Auch Schaupieler und Künstler sind unverhält­nis­mäßig stark vertreten. Vielleicht erklärt das ja ein wenig, warum sie so neben der Realität laufen. Und so ein ahistorischer Kokolores zählt wohl auch als »Keynote«, macht aber die Welt schön einfach und enthebt einen der Überlegung, warum sich in Europa ein funktionierendes Gesellschaftsmodell entwickelt hat, woanders aber nicht. Zufall? Ja, klar:

Der Zufall der Geburt macht uns Deutsche zu privilegierten Menschen – und gleichzeitig zu Bürgern, die eine humanitäre Verpflichtung haben, Menschen in Not zu helfen.

Und deswegen ist es auch nicht die Sache der Einwanderer, in ihrer Heimat eine friedliche, stabile Gesellschaftsordnung aufzubauen, nein, sie müssen vielmehr an denen teilhaben, die es zufällig schon gibt. Daß dies genau das Rezept, das Bestehen einer stabilen Gesellschaftsordnung zu gefährden, das versteht die Linke nicht. Einer immerhin scheint zu ahnen, daß die Sache nicht gut ausgeht. Christian Hansen, Autor und Texter, macht sich schon Gedanken darüber, wie er einst seinen Kopf aus der Schlinge ziehen kann:

… weil dann jemand eines Tages vor Gericht bezeugen kann, dass nicht alle hier sich selbst die Nächsten waren.

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