Haltung bewahren!

Wer sich angesichts des propagandischen Flächenbombardements um ihn herum nicht bloß die Ohren zuhält und den sich näherenden Einschlägen lauscht, bekommt einen Eindruck davon, auf welch einem unterirdischen Niveau die Debatte – so man das überhaupt noch so nennen mag – um die Asyl- und Einwanderungspolitik ange­kommen ist, daß es zum Gruseln ist.

Da haben wir es mit einer Regierung zu tun, die gar nicht daran denkt, die Interessen des deutschen Volkes (immerhin wenigstens auf dem Papier noch der Souverän dieses Staates) zu wahren, und die dieses Land dem Einmarsch kultur- und raumfremder Völkerscharen und allem dazugehörigen Konfliktpotential ausliefert. Dazu eine Presse, die jedem, der gegen die verbindlich vorgegebene Sichtweise verstößt, unverhohlen den Krieg erklärt. Weiters ein vom eigenen Humanitarismus besoffenes Volk, das angesichts der Aussicht, überrannt zu werden, ein regelrechtes »Augusterlebnis« hat, da die einströmenden Menschenmassen allem Anschein nach ein Sinn-Vakuum füllen. Und leider kann auch nicht verschwiegen werden, daß es auch die pogrombereiten Schreihälse gibt, die dumm genug sind, dem verbreiteten Feindbild des Fremdenhassers stets aufs neue Nahrung geben. Kurzum, die Lage gebiert eine Mischung aus Ratlosigkeit und Verzweiflung.

Ein Beispiel für die vollkommene Hemmungslosigkeit, mit der medial gegen jeden sich äußernden Widerspruch über die obwaltende Politik und geistige Verfaßtheit in diesem Land niedergewalzt werden soll, liefert die Süddeutsche Zeitung. Der Autor Sebastian Gierke wütet darin gegen die vermeintlichen und echten Fremdenfeinde in einer Art und Weise, daß man meinen könnte: da hat einer seine Tabletten nicht genommen. Bezeichnenderweise scheint er gar nicht zu merken, daß er genau die Verhaltensweisen praktiziert, die er der Gegenseite vorwirft, indem er sie in bester Julius-Streicher-Diktion zu Ungeziefer erklärt:

Ihr heimatliebenden Zustandsbewahrer, emphatielosen Wüteriche, wunderlichen Nicht-Neger, aufrechten Stehpinkler, verkrampften Gutmenschen-Schlechtfinder. Ihr deutschen Kosten-Nutzen-Denker. Ihr besorgten Patrioten. Ihr IchbinkeinNaziaber-Sager, Ihr IchkenneauchnetteTürken-Kartoffeln, ihr unkorrekten Pegidisten, ihr nationalen Oberlehrer.

Es ist 2015. Und ihr kommt aus euren Löchern ans Licht gekrochen.

In diesem Ton geht es weiter, und die Botschaft ist klar: es kann nur eine legitime Haltung geben, die Verteidigung des nur vermeintlich Eigenen ist nicht legitim, und wer das anders sieht, mit dem muß man nicht diskutieren, den muß man platt­machen. Nach Sigmar Gabriels »Pack«-Rede sind offenbar auch auf der Seite vermeintlich seriöser Medien alle Dämme der Zurückhaltung gebrochen.

Es ist an der Zeit, an ein paar Standards zu erinnern. Zum Beispiel diesen hier: Es reicht nicht, eine Meinung zu haben. Man sollte sie auch begründen können. Und nein, nicht jede Meinung ist gleich viel wert.

Seine Meinung hingegen meint Herr Gierke keineswegs begründen zu müssen; daß sie die wertvollere ist, das scheint er vorauszusetzen. Und am Ende kommt dann das exterminatorische Leitmotiv hervor: Wer das anders sieht, muß verschwinden.

Hätten wir nur eine einsame Insel übrig – auf der euch Asyl gewährt wird.

Es fällt schwer, in solch einem Klima nicht abwechselnd in Panik und Lethargie zu verfallen und eine gewisse Gelassenheit zu bewahren, und doch ist gerade dies jetzt so wichtig wie selten zuvor. Was also kann man tun?

Martin Lichtmesz hat in der Sezession einige wie immer kluge Gedanken zusammengetragen.

Ich plädiere indes dafür, den Spieß umzudrehen, aber auf intelligente und angemessene Weise. Wir sind keine Linken, keine Gegen-rechts-Kämpfer und keine Antifas. Wir haben keine gedankenpolizeilichen Neigungen, und haben auch keine Lust, den Blockwart oder den Denunzianten zu spielen. Das liegt nicht in unserer Natur, und genau deshalb sind wir nicht links. Wir sind im Gegensatz zu ihnen keine selbstgefälligen, autoritären Maulverbieter, die anderen sagen: „Nein, man darf nicht!“ Wir verteidigen uns vielmehr gegen die Flachköpfe und selbsternannten Politkommissare, die alles hassen, was „ihnen gegen den Strich“ geht, und die uns zum Schweigen bringen wollen, obwohl sie nicht einmal imstande sind, unsere Argumente zu verstehen, geschweige denn, sie korrekt wiederzugeben.

Nicht anders geht es: im Internet, im Bekanntenkreis immer wieder das Wort ergreifen. Aber sich überlegt äußern, mit guten Argumenten – auch gegen Haßkommentare auftreten, und sich zu keinen persönlichen Angriffen hinreißen lassen. Eine Haltung bewahren, an der auch andere sich aufrichten können! Nochmal Lichtmesz:

All dies muß freilich auf die soziale Situation und das Gegenüber abgestimmt werden. Man braucht dabei weder „missionieren“ noch „rechthaben“ noch „überzeugen“. Es genügt oft, auch nur zu signalisieren, daß man auf einer anderen Seite steht – ego non! –, um manche Leute zur Weißglut zu bringen. Wer Lust auf ein Gefecht hat, muß zumeist nur einen kleinen Mucks machen, damit der andere den Fehdehandschuh aufnimmt.  Widerspruch, kritische Fragen, Zweifel säen, manchmal auch Sarkasmus und Humor – alles ist möglich. Ich glaube, daß die Zeit gerade reif dafür ist.

Nicht zuletzt, und das ist ganz wichtig: Psychohygiene! Notfalls den Stecker ziehen, bevor man an der Welt irre wird, sich hinsetzen und die Kunst des Eskapismus pflegen.

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